Dr. Marlis Wiebogen-Wessely, Dipl. ECVS
Chirurgie und Orthopädie
INHALTSVERZEICHNIS
Zusammenfassung
Ursache
Symptome
Diagnose
Notoperation
Nach der OP
Prognose
Prophylaxe
Quellen
Magendrehung
Zusammenfassung
Eine Magendrehung stellt einen lebensbedrohlichen Notfall dar, sodass rasches Handeln überlebenswichtig ist. Bestimmte Rassen, meist große Rassen mit einem tiefen Brustkorb, neigen zu einer Magendrehung. Eine konkrete Ursache kann meist nicht ausgemacht werden. In der Regel geht der Drehung des Magens die Aufgasung voran. Durch die abgeschnittene Blutzufuhr kommt es schnell zu einer Kreislaufschwäche bis hin zum Kollaps und zum Herz-Kreislauf-Stillstand. Wenn die Diagnose gestellt wird, ist eine umgehende Operation nötig.
Ursache & Risikofaktoren
Eine Magendrehung ist ein absoluter Notfall. Wenn sich der Magen, der wie ein Beutel relativ locker zwischen Speiseröhre und Zwölffingerdarm im Oberbauch hängt, um seine eigene Achse dreht, werden Blutgefäße sowie Mageneingang und Magenausgang abgeschnürt. Verdauungsgase können nicht mehr entweichen, und der Magen bläht auf wie ein Ballon. Blut aus dem Hinterleib gelangt nicht mehr zurück zum Herzen, und es kommt zum Kreislaufschock. Mit dem Magen können sich auch andere lebenswichtige Organe wie Milz, Bauchspeicheldrüse drehen. Ohne eine Notoperation verschlechtert sich der Zustand zusehends bis es zum Tod des Hundes kommt.
Wenn eine Magendrehung vermutet wird, sollte der Patient umgehend an der Klinik vorstellig werden. Denn falls sich der Verdacht im Röntgenbild bestätigt, sinken die Überlebenschancen des Tieres mit jeder Stunde. Magendrehungen werden am häufigsten abends bemerkt – bitte warten Sie keinesfalls bis zum nächsten Morgen. Wir führen die Operation zu jeder Tages- und Nachtzeit durch.
Risikofaktoren
Vor allem mittelgroße und große Hunde mit einem tiefen Brustkorb neigen zur Magendrehung, also Rassen wie Deutscher Schäferhund, Rottweiler, Deutsche Dogge, Dobermann, Boxer oder Bernhardiner. Die Ursache für die Drehung des Magens ist bislang nicht geklärt. Häufiger wird berichtet, dass der Vierbeiner zuvor viel gefressen und dann gespielt hat. Aber auch bei nüchternen Hunden und solchen, die sich nach dem Fressen völlig ruhig verhalten haben, kann es zu einer Magendrehung kommen.
Ältere Hunde (ab fünf Jahren) sind eher gefährdet als junge, bei Riesenrassen steigt das Risiko bereits ab drei Jahren. Für verschiedene Hunderassen wurden rassespezifische Statistiken erstellt: Demzufolge liegt das Risiko, pro Jahr eine Magendrehung zu bekommen, bei großen Rassen bei 2,3 % und bei Riesenrassen bei 2,6 %. Wenn diese Zahlen auf die gesamte Lebensdauer hochgerechnet werden, beträgt das Risiko z. B. beim Bloodhound oder der Dogge ca. 30 %, bei großen Windhunden oder Collies 20 %, beim Irish Wolfhound 18 %, beim Neufundländer 8 %, beim Bernhardiner 6 % oder beim Rottweiler 4 %.
Symptome erkennen
Der Drehung geht erst eine zunehmende Aufgasung des Magens voraus. So beginnen die Symptome zunächst eher unspezifisch. Unruhe (ständiger Wechsel zw. Stehen, Gehen und Liegen) und ein aufgekrümmter Rücken können als erste Anzeichen auftreten. Der Hund versucht wiederholt zu erbrechen. Da die Speiseröhre am Mageneingang zugeschnürt ist, kommt jedoch nur Schaum hervor. Sollte Wasser oder Futter aufgenommen werden, wird dies sofort wieder „erbrochen“ bzw. regurgitiert. Zunehmend wird der Bauch dicker und angespannter und im weiteren Verlauf zunehmend rundlicher und hart wie eine Trommel. Auch der Allgemeinzustand verschlechtert sich aufgrund einer zunehmenden Kreislaufschwäche. Die zu Beginn vorherrschenden Symptome gehen sukzessive in Apathie und Schwäche über. Durch den Schockzustand kommt es bei ausbleibendem Eingreifen zum Tod.
Sollte ihr Hund folgende Symptome aufweisen, sollten Sie umgehend einen Tierarzt aufsuchen: zunehmende Unruhe, starker Speichelfluss, blasse Mundschleimhaut und unproduktives Erbrechen. Ein aufgeblähter Bauch ist zwar ein typisches Zeichen, aber im Frühstadium nicht immer eindeutig.
Diagnose
Die eindeutige Diagnose wird anhand eines Röntgenbildes gestellt. Ein großer gasgefüllter (in einigen Fällen auch mit Futter gefüllter) Magen, welcher in 2 Anteile kompartimentiert ist (Zipfelmützenform). Der Kreislauf ist zum Zeitpunkt der Vorstellung meist schon sehr schlecht, sodass blasse Schleimhäute, eine deutlich verlängerte Kapillarfüllungszeit und ein schwacher hüpfender Puls auffallend ist.
Abb. 1: hgr. aufgegaster kompartimentierter Magen mit typischer „Zipfelmützenform“
Abb. 2: Magendrehung, Magen mit Futter und Knochenfragmenten gefüllt
Notoperation
Nach der eindeutigen Diagnose durch ein Röntgenbild muss nach Stabilisierung eine Notoperation stattfinden. Vor der OP ist jedoch die Schockbekämpfung durch intravenöse Infusionen notwendig um das Narkoserisiko soweit als möglich zu reduzieren. In dieser Zeit wird auch die Blutanalyse durchgeführt. Bei der OP wird der Bauch eröffnet und zuerst der Magen abgegast. Danach kann der Magen meist reponiert und über einen Schlauch, welcher über die Speiseröhre eingeführt wird, gespült werden. Sofern ein Teil der Magenwand abgestorben ist, muss diese reseziert werden. Ist die Milz durch eine Torsion (Drehung) abgestorben, muss diese entfernt werden. Anschließend wird der Magen an der Bauchwand festgenäht (Gastropexie) um einer erneuten Magendrehung vorzubeugen.
Nach der OP
Nach der OP ist leider noch nicht alles überstanden. Durch die nach dem Ausdrehen frei werdenden Toxine kann es zu Herzrhythmusstörungen kommen. Somit ist es notwendig den Patienten auch nach der OP noch gut zu überwachen. Am Tag nach der OP wird Futter verabreicht und viele Patienten können auch schon am Tag nach der OP entlassen werden. Sofern der Patient noch kritisch ist, ist ein stationärer Aufenthalt für einige Tage zu empfehlen, bis dieser sicher entlassen werden kann.
Prognose
Die Prognose bei einer frühzeitigen OP ist grundsätzlich gut. Sofern ein Teil des Magens abgestorben ist, können postoperativ eher Komplikationen auftreten, jedoch ist auch in diesen Fällen in der Regel von einem positiven Ausgang auszugehen. Bei schweren Herzryhmusstörungen ist eine intensive Therapie notwendig und in diesen Fällen ist die Prognose natürlich auch schlechter.
Trotz allem muss gesagt werden, dass Patienten nach einer Magendrehung und erfolgreichen Operation bis zu 14 Tage postoperativ an Komplikationen, u.a. Thrombenbildung, versterben können.
Prophylaxe
Zahlreiche Faktoren für das Entstehen einer Magendrehung sind angeführt. Generell wird empfohlen den Hund nach dem Fressen nicht spielen und herumspringen zu lassen. Doch auch bei völlig korrektem Handeln kommt es bei vorbelasteten Rassen immer wieder zu Magendrehungen. Bei einigen Rassen z.B. Doggen wird mittlerweile einer prophylaktische Gastropexie (Annähen des Magens an die Bauchwand) empfohlen um eine Drehung des Magens zu verhindern.
Quellen
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