Dr. Thomas Wiebogen-Wessely
Onkologie und innere Medizin
INHALTSVERZEICHNIS
Zusammenfassung
Schmerzmittel
Gefahr bei Katzen
Kaninchen
MDR1-Defekt
Fazit
Quellen
Welche Humanarzneimittel sind giftig für unsere Haustiere?
Zusammenfassung
Auch wenn viele in der Humanmedizin verwendete Arzneimittel in der Tiermedizin übernommen wurden, dürfen diese nicht einfach bedenkenlos verabreicht werden, schon gar nicht, wenn dies nicht mit dem Tierarzt besprochen wurde. Viele für den Menschen harmlose Medikamente können bei unseren Haustieren zu schwerwiegenden Vergiftungen führen, welche im schlimmsten Fall tödlich enden können. Solche Vergiftungen entstehen durch Unwissenheit oder Unachtsamkeiten, die in den meisten Fällen einfach vermieden werden könnten. Welche Arzneimittel dies insbesondere betrifft und was Sie als Tierbesitzer beachten müssen, wird im Folgenden besprochen.
Besonderheiten bei Schmerzmitteln
Tiere bauen Medikamente anders ab als Menschen. Ein sehr wichtiges Beispiel sind die enormen Unterschiede bei der Anwendung gewisser Analgetika (Schmerzmittel). Die meisten in der Humanmedizin verwendeten nicht-steroidalen Antiphlogistika (NSAIDs) bzw. Antirheumatika (NSAR) führen bei Hunden und Katzen schon in kleinen Dosierungen zu typischen unerwünschten Wirkungen. So verursachen beispielsweise Ibuprofen, Aspirin und Diclofenac schon in kleinen Mengen Nebenwirkungen im Magen-Darm-Trakt mit zum Teil massiven Blutungen. Ebenso kann es aufgrund falscher Medikamenteneinnahem zu akutem Nierenversagen kommen. Wiederholte Dosierung führt häufiger zu schwerwiegenden Erkrankungen als eine einzelne akute Dosis, aber im schlimmsten Fall führt bereits eine einmalige Gabe zu lebensbedrohlichen Vergiftungserscheinungen.
Paracetamol wirkt bei Hunden nur unzureichend schmerzstillend und schädigt schon in geringen Dosen die Leber.
Für die Schmerzlinderung gibt es in der Tiermedizin eigens zugelassene, gut verträgliche Arzneimittel, mit Wirkstoffen, die in der Humanmedizin nicht eingesetzt werde. Hierzu zählen beispielsweise Carprofen (z. B. Carprodyl®) oder Meloxicam (z. B. Meloxidyl®).
Gefahr bei Katzen
Aufgrund einer genetischen Veränderung weisen Katzen aller Rassen nur eine geringe Glukuronidierungsfähigkeit (Mechanismus bei der Metabolisierung von Arzneistoffen) auf. Deshalb sind Arzneistoffe, die glukuronidiert werden müssen, für Katzen absolut kontraindiziert. Hierzu zählt beispielsweise Paracetamol. Die kritische Dosis hierfür liegt bei 50 mg/kg Körpergewicht. Bereits eine halbe Tablette kann bei einer ausgewachsenen Katze zum Tod führen. Katzen sollten daher nur mit den ausdrücklich für diese Tierart zugelassenen Analgetika behandelt werden.
Pyrethrine und Pyrethroide kommen sowohl in einer Reihe von Insektiziden in Haushalt und Garten als auch in landwirtschaftlichen Insektiziden vor. Die häufigste Toxinquelle bei Kleintieren sind Floh- bzw. Zeckenbekämpfungsmittel. Eine Vergiftung durch Pyrethroide kommt primär bei Katzen vor. Permethrin-Präparate können für die Katze schon tödlich sein, wenn ein Hund im gleichen Haushalt damit behandelt wurde und die Katze Kontakt zu diesem Hund hatte. Die einzige Ausnahme ist Flumethrin (Seresto®-Halsband)
Das Problem der Glukuronidierung betrifft auch vermeintlich harmlose „natürliche“ Zubereitungen mit Teebaumöl, Neemöl oder anderen ätherischen Ölen, die für Katzen lebensbedrohlich sein können.
Besonders für Katzen ist Paracetamol gefährlich, welches schon in niedrigen Dosierungen toxisch ist und bereits innerhalb weniger Stunden zum Tod führen kann!
Sonderfall Kaninchen
Für Kaninchen sind Fipronil-haltige Zubereitungen tödlich. Das zum Schutz gegen Zecken und Flöhe häufig eingesetzte Frontline® und die zahlreichen wirkstoffgleichen Produkte, welche für Hunde und Katzen zugelassen sind, können für viele Heimtierarten umgewidmet werden, aber auf keinen Fall für Kaninchen.
MDR1-Defekt bei Hütehund-Rassen
Ein weiteres Hindernis für den Einsatz einiger etablierter Arzneistoffe kann ein Defekt des MDR1-Gens sein, der bei einigen Hütehund-Rassen weit verbreitet ist, insbesondere Collies, Border Collies, Australian Shepherds, Shelties, Bobtails und weitere Hütehunde. MDR1- Defekt ist ein Gendefekt des MDR1-Gens (Bestandteil der Blut-Hirn-Schranke), was zu einer Überempfindlichkeit gegenüber bestimmten Arzneimitteln führt.
Die Folgen des Gendefektes hängen davon ab, in welchen Organen und in welchem Ausmaß das MDR1-System gestört ist. Bei gewissen Tieren fehlt das System komplett, bei manchen nur teilweise. Das ist genetisch bestimmt, weshalb bei Hütehunderassen ein molekulargenetischer Test zu empfehlen ist.
Bei diesen Rassen können insbesondere Ivermectin, Doramectin, Moxidectin oder Loperamid zu tödlichen Vergiftungen führen. Bereits Pferdekot von Tieren, die mit Ivermectin oder Mexidectin entwurmt wurden, kann für diese Hunde toxisch werden.
Bei vielen anderen Arzneistoffen sind Unverträglichkeitsreaktionen beim MDR1-Defekt zu befürchten. Dies betrifft beispielsweise Opioide und viele Zytostatika, Digoxin, Methyldigoxin, Verapamil, Diltiazem, Losartan, Ondansetron, Ranitidin, Itraconazol, Ketoconazol, Rifampicin, Erythromycin und Levofloxacin.
Was kann ich als Tierbesitzer tun?
Geben Sie Ihren Tieren niemals Arzneimittel aus Ihrem eigenen Apothekenschrank, von denen sie nicht wissen, ob diese für Tiere verträglich sind. Generell sollte die Medikamentengabe immer in Absprache mit Ihrem Tierarzt geschehen! Sollten Sie dennoch ein Präparat verabreicht haben und Bedenken haben, ob Ihr Tier dieses verträgt, dann sollten Sie in jedem Fall einen Tierarzt aufsuchen. Eine Vergiftung durch Medikamente ist ein Notfall, der tödlich enden kann! Folgende Symptome sind häufig im Zuge einer Vergiftung:
- Übelkeit und Erbrechen
- (blutiger) Durchfall
- Krämpfe und Zittern
- Fieber, Untertemperatur
- Schwächeanfälle
- übermäßiger Speichelfluss
Schnell sein rettet hier Leben. Akute Vergiftungen durch Humanarzneimittel erfordern rasches tierärztliches Eingreifen!
Fazit
Arzneimittel, die sie Ihrem Tier verabreichen, sollten zuvor IMMER mit ihrem Haustierarzt abgesprochen oder verschrieben sein, um mögliche Vergiftungen zu vermeiden, die im schlimmsten Fall tödlich enden können! Bei weiteren Fragen wenden Sie sich an ihren Haustierarzt oder an Tierärzte unserer Klinik.
Eine hilfreiche und für alle frei zugängliche Anlaufstelle für seltenere Giftstoffe bei Hund und Katze liefert folgende Homepage:
https://www.vetpharm.uzh.ch/tak/clinidoc.htm
Hier kann unter dem Reiter Toxikologie/Giftpflanzen für die Tierart Hund/Katze auch beispielsweise nach Symptomen gesucht werden.
Quellen
- Yin SA, Nolte I (2007): Praxisleitfaden Hund und Katze, Schlütersche, 2.Auflage (S. 784-799)
- https://www.vetpharm.uzh.ch/tak/clinidoc.htm
- https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/daz-az/2016/daz-25-2016/kein-paracetamol-fuer-hund-und-katz